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28. September 2022
Von Soraya | Foto: Soraya
Interviews

«In Nordamerika können wir vor 20'000 Personen spielen, aber es ist nie so eine Stimmung wie hier»: Deshalb half Claude Julien für zwei Wochen aus

Sie wirkten wie die drei Könige des Tessins. Während in der frühen Geschichte noch von Kaspar, Melchior und Balthasar die Sprache war, hiessen sie in Ambrì Luca, René und Claude. Wo er sonst hinter den besten Eishockeyspielern weltweit steht, hatte die NHL-Legende Claude Julien die Mannschaft des HC Ambrì-Piotta vor sich. Mit Luca Cereda und René Matte bildete er das perfekte Trainer-Trio.

Er ist in den 60er-Jahren in Kanada aufgewachsen. Schon als Kind träumte er den Stanley Cup in den Händen zu tragen. Also ein Teil der besten Eishockeymannschaft von Nordamerika zu sein. Als Spieler schaffte er den Durchbruch nicht, dafür als Trainer. Er coachte mit den Montréal Canadiens, den New Jersey Devils und den Boston Bruins, drei der besten Vereine in der NHL. 2011 ging sein Traum in Erfüllung und er wurde mit Boston Stanley-Cup-Sieger.

In den Jahren danach holte er noch den Titel als Weltmeister und Olympiasieger. Auch erhielt er eine Auszeichnung zum besten Trainer der NHL. Julien hat alles erreicht, was man als Eishockeycoach erreichen kann. Nun gab er sein Wissen in Ambrì weiter.

Wie kommt einer der besten Eishockeytrainer der Welt zu einem Dorfklub wie dem HC Ambrì-Piotta?
Eine Woche vor dem letztjährigen Spengler Cup erhielt ich eine Nachricht von René Matte. Wir haben in der Junior League in Québec zusammengearbeitet und kennen uns bereits seit über 20 Jahren. Er hat mir damals geschrieben, dass er mich gerne treffen möchte. Mehr hat er mir aber nicht verraten. Ich hätte eigentlich in Davos das Team Canada trainiert, doch der Spengler Cup wurde abgesagt und so auch unser Treffen. René und ich trafen uns aber an der Weltmeisterschaft in Finnland. Dort hat er mich gefragt, ob ich interessiert sei, nach Ambrì zu kommen.

Und was haben Sie gesagt?
Dass ich es mir überlege. Das war im Mai 2022 und in dieser Zeit dauerten immer noch die NHL-Drafts an. Ebenfalls wusste ich nicht, ob ich wieder zurück in die NHL gehe. Deshalb bin ich mit ihm zu einem späteren Zeitpunkt verblieben. Wo dann die definitive Anfrage vom HCAP kam, habe ich ihm zugesagt.

Was hat Sie zu Ihrem Entscheid bewogen?
Ich liebe dieses Spiel und bin glücklich, dass ich seit über 30 Jahren Trainer sein kann. Es ist schön, wenn ich so etwas zurückgeben kann. Es gibt Leute, die sich so leidenschaftlich mit Hockey befassen, wie ich es damals machte und immer noch mache. Jeder unterstützt den anderen und man versucht einander zu helfen. Deshalb war es für mich klar, hierher zu kommen.

Stanley-Sup-Sieger, Weltmeister, Olympiasieger – welches war das Highlight Ihrer Karriere als Trainer?
Wenn du in Nordamerika aufwächst, träumst du bereits als Kind von der NHL und dem Stanley Cup. Ich habe dies geschafft, was einer der besten Momente in meinem Leben war. Was überraschenderweise knapp auf dem zweiten Platz dieser Momente landete, war die Goldmedaille an den Olympischen Winterspielen. In Nordamerika wachsen wir nicht mit dem Gedanken auf, die Olympischen Spiele zu gewinnen. Wir denken ans Gewinnen des Stanley Cups. Aber olympisches Gold zu holen, hat meine Augen geöffnet. Ich realisierte, was dies für eine Leistung war.

Nun waren Sie während zwei Wochen an der Bande des HCAPs. Welche Aufgaben hatten Sie dort?
Ich half dem Coachingstaff weiterzuwachsen. Darum war ich hier als Berater, beobachtete und teilte meine Erfahrungen. Cereda ist ein sehr junger Trainer und hat viel Potenzial. Ich ging mit ihm während dem Training aufs Eis. Auch sprach ich mit einigen Spieler, aber nicht zu viel. Schliesslich haben sie eigene Coaches. (lacht) Im Endeffekt versuchte ich so viele Erfahrungen zu teilen, wie ich konnte. Ich bin froh, dass ich in Ambrì war und helfen durfte.

Wie haben Sie sich gefühlt, Teil des Teams zu sein?
Es war grossartig. Der Hockeyclub hat mich sehr gut behandelt und liess mich vom ersten Tag willkommen fühlen. Ich liebe es hier. Im Vergleich zu Kanada ist in der Schweiz vieles anders, als ich es mir gewöhnt bin. Aber es ist atemberaubend und ich bin sehr beeindruckt. Das habe ich mir immer wieder gedacht, als ich hier zu einem Spiel kam und schaute, wo ich eigentlich bin. Dazu kam die grosse Anzahl von Fans und wie lebhaft und hart sie das Team unterstützen. Das war sehr beeindruckend.

Was ging durch Ihren Kopf als Sie das erste Mal die Siegeshymne «La Montanara» hörten?
Es war überwältigend. Ich habe jemanden gehabt, der mir ein Video davon gemacht hat. Dieses Video schickte ich sofort nach Hause zu meiner Frau. Es ist sehr unterschiedlich als bei uns. In Nordamerika können wir vor 20'000 Personen spielen, aber es ist nie so eine Stimmung wie hier. Für mich war das sehr beeindruckend. Ich bin froh, habe ich dies auf Video. Sobald ich wieder Zuhause bin, werde ich es allen meinen Freunden zeigen.

Ihre zwei Wochen in der Leventina sind bereits vorbei. Werden Sie wieder einmal zurück nach Ambrì kommen?
Ich werde zurückkommen, ob als Fan oder Helfer. Ambrì ist ein schöner Ort. Ich liebe die Atmosphäre und habe mich in dieser kurzen Zeit sehr daran gewöhnt. Es war angenehm und ich fühlte mich sicher. Die Schweiz ist ein schönes Land mit netten Leuten. Jeder ist glücklich.

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